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Der grundsätzliche Verlauf einer Demenz ist nach aktueller Forschung unumkehrbar, schlussendlich nicht aufzuhalten und verschlechtert sich im zunächst mentalen, dann auch im körperlichen Zusammenhang kaskadenartig, d.h., es gibt immer wieder individuelle unterschiedliche Einbrüche; auf diesem Niveau geht es dann eine bestimmte Zeit möglicherweise relativ stabil weiter, bis wieder ein Einbruch, manchmal verbunden mit rein somatischen Ereignissen, auftritt. Soweit ist der Krankheitsverlauf grundsätzlich berechenbar. Auf Dauer ist also auch ein "Verbergen" nicht sinnvoll, zumal das grundsätzliche Bild einer Demenz mittlerweile öffentlich ohnedies bekannt ist.
Information der Umgebung:
Wer soll was wissen? Wer nicht?
Die Frage, inwiefern die Umgebung eines Menschen oder einer Familie, die von Demenz betroffen ist, Anspruch oder Bedarf auf Offenlegung der Situation hat, wird häufig gestellt. Vielfach erleben Betroffene wie auch Angehörige die gefühlte Diskrepanz zwischen Zurückhaltung und Information gegenüber der Umgebung.
Vielleicht ist eine hilfreiche Erfahrung die, dass es bei dieser oft tabuisierten Thematik nicht nur um die vermeintliche Befriedigung der Neugierde der Anderen geht, sondern auch darum, wie sich denn das Umfeld nun verhalten soll.
In einem frühen Stadium der Demenz ist es wichtig, dass sich die betroffene Person dazu selbst äussert. In einem günstigen Fall soll das im Rahmen der Familie besprochen sein, denn selbst die nächsten Angehörigen sind mit diesem Umstand in der Regel nicht vertraut. In diesem Zusammenhang soll auch thematisiert werden, wie die Haltung der Familie, die Aufteilung der Lasten, die konkrete Pflege und Betreuung aus heutiger Sicht anzugehen sein soll. Und eigentlich geht es erst dann um die nach aussen getragenen Haltung und Information.
Nebenbei berichten viele erfahrene Betroffene, dass es für sie entlastend war, als feststand, dass mit dem Geschehen Demenz sehr transparent umgegangen werden sollte. Ab dem Zeitpunkt gab es - so berichten sie - auch nicht mehr verschiedene "Versionen" der Geschichte.
Denn: Auch wenn Demenz häufig (noch) mit Scham verbunden ist: Demenz zu haben ist keine Schande!
Informationen aktiv suchen
Wenn die Perspektive auf eine sich verändernde Fähigkeit, das Alltagsleben ausschliesslich selbstständig zu meistern, hingeht, ist es klug, sich für mögliche hinkünftige Unterstützungsangebote frühzeitig zu interessieren, sich mit der Materie vertraut zu machen und sich vor Ort ein Bild von möglichen Aktivitäten zu machen. Mehr dazu in diesem Kapitel siehe "Pflege- und Betreuungsbedarf".
Der Liechtensteiner Seniorenbund hat eine Vorsorgemappe herausgegeben, in der alle wichtigen Belange, die für ältere Menschen von Bedeutung sein können, dargestellt sind. In dieser Mappe können auch die entsprechenden Dokumente und Unterlagen abgelegt werden. Wir empfehlen die Nutzung dieses konkreten Angebots bzw. die Erstellung eines entsprechenden Dossiers. Erhältlich beim LSB, Austrasse 13, Vaduz unter Tel 230 48 00 oder per Mail. Unkostenbeitrag: CHF 20 (die weiter unten beschriebene Broschüre "Erben und Vererben" ist hier bereits enthalten).
Nachholen?!
Das Leben, das hinter einem liegt, kann nicht mehr verändert werden. Vielfach sind durch die Priorisierungen im Arbeitsleben, durch die Familienplanung und durch andere äusser Umstände Träume, Wünsche und Absichten hintangestellt worden. Die Diagnose Demenz - in einem frühen Stadium - lässt ohne weiteres zu, offene Anliegen zu klären, alte Freundschaften zu beleben, Reisen zu unternehmen und bisher Unausgesprochenes zum Ausdruck zu bringen. In diesem Sinne kann diese Zäsur einen auch erfreulichen, belebenden Beitrag ins Alltagsleben eines Menschen mit Demenz und dessen Familie bringen.
Urteilsfähigkeit mit und trotz Demenz
Die Feststellung der Urteilsfähigkeit kann in bestimmten Situationen von Bedeutung sein. Das betrofft die eigene medizinische, pflegerische und betreuerische Versorgung, die finanziellen Belange, das Vererben und weitere, für die Familie wichtige Entscheidungen beim und nach dem Ableben. Es empfiehlt sich also, vorsorgliche Massnahmen zu treffen, um im Falle nicht (mehr) vorhandener Urteilsfähigkeit den Willen des Betroffenen zu erfüllen. Ein wichtiges lebenspraktisches Beispiel ist auch die Frage nach Autofahren und Demenz. Sich in diesem Zusammenhang rechtzeitig Gedanken zu machen, hilft, später auftretenden Problemen rechtzeitig zu begegnen.
Hierzu: Artikel von Remo Mairhofer, Rechtsanwalt, vom 5.11.2017 in der LIEWO.
Patientenverfügung
Es gibt eine verbindliche und eine beachtliche Patientenverfügung, die sich in Formalisierung, Dauer und vor allem Bindungswirkung unterscheiden. Damit werden vor allem medizinische Belange geregelt (z.B. gewünschte Behandlung, explizit nicht gewünschte Behandlung).
Verbindliche Patientenverfügungen setzen eine umfassende ärztliche Aufklärung voraus und müssen vor einem Rechtsanwalt bzw. bei Gericht errichtet worden sein. Sie setzen auch eine Belehrung über den jederzeit möglichen Widerruf voraus. Hier haben wir einen Flyer von Alzheimer Schweiz überarbeitet und zu den rechtlichen Rahmenbedingungen Liechtensteins aufbereitet (wir danken ausdrücklich Remo Maierhofer, Rechtsanwalt, Triesen): Die Patientenverfügung
Mehr dazu finden Sie hier.
Erben und Vererben
Information zu Erbschaft und Vermächtnissen ist bei Menschen mit Demenz von besonderer Bedeutung, da im Vergleich zu rein somatisch erkrankten Menschen bei fortgeschrittenem Stadium Administratives – auch wenn unterstützt oder delegiert – in der Regel von diesen noch selbst erledigt werden kann. Bei fortgeschrittener Demenzerkrankung ist davon nicht mehr auszugehen.
Die Nachlassregelung ist ein wichtiger Vorgang, der zeitlebens und bei klarem Bewusstein in Angriff genommen werden soll, um vor allem den Angehörigen unnötige Unannehmlichkeiten zu ersparen. Allerdings ist es eine umfassende Materie, für die man sich Zeit nehmen muss.
Der Liechtensteiner Seniorenbund (LSB) hat dazu eine zweckdienliche Broschüre herausgegeben, die beim LSB unter Tel 230 48 00 oder via Mail zum Preis von CHF 10.00 (plus Portokosten) bestellt werden kann. Siehe auch weiter oben: "Informationen aktiv suchen".
Vorsorgevollmacht
Eine Vorsorgevollmacht ist gemäss Paragraph 284b ABGB eine Vollmacht, die nach ihrem Inhalt dann wirksam werden soll, wenn der Vollmachtgeber die zur Besorgung der anvertrauten Angelegenheiten erforderliche Geschäftsfähigkeit oder Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder seine Äusserungsfähigkeit verliert. Mit der Errichtung einer Vorsorgevollmacht hat der Vollmachtgeber die Möglichkeit, im Vorhinein eine Person seines Vertrauens als zukünftigen Vertreter in den von ihm bestimmt bezeichneten Angelegenheiten zu bestimmen. Hinsichtlich dieser Angelegenheiten wird bei ordnungsgemässer Besorgung durch den Bevollmächtigten die Bestellung eines Sachwalters vermieden. Dies hat für die betroffene Person den Vorteil, sich die Person, die sich später einmal um ihn kümmern soll, im Vorhinein selbst aussuchen zu können. Die Errichtung einer Vorsorgevollmacht unterliegt denselben strengen Formvorschriften wie die Errichtung eines Testaments, d. h. sie muss entweder eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden oder als fremdhändig errichtete Vorsorgevollmacht vor drei Zeugen als eigenen Willen bekundend unterzeichnet werden. Soll die Vorsorgevollmacht auch Einwilligungen in medizinische Behandlungen, Entscheidungen über dauerhafte Änderungen des Wohnorts sowie die Besorgung von Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, umfassen, so muss sie unter ausdrücklicher Bezeichnung dieser Angelegenheiten vor einem Rechtsanwalt oder beim Fürstlichen Landgericht errichtet werden. Die Existenz der Vorsorgevollmacht und ihr Wirksamwerden können in dem beim Fürstlichen Landgericht geführten Zentralen Vertretungsverzeichnis registriert werden.
Die Vorsorgevollmacht ist auch deswegen anzustreben, da Menschen auf diese Weise für ihr eigenes Geschick besorgt sind und der Staat nur subsidiär tätig ist.
Hier haben wir einen Flyer von Alzheimer Schweiz überarbeitet und zu den rechtlichen Rahmenbedingungen Liechtensteins aufbereitet (wir danken ausdrücklich Remo Maierhofer, Rechtsanwalt, Triesen): Die Vorsorgevollmacht
Dazu von Interesse: Rechtsanwalt Stefan Hassler hat eine Vorlage für eine Vorsorgevollmacht erstellt, die in erster Linie der Entscheidungsfindung dient. Im Bedarfsfall wird diese Vorlage jeweils individuell angepasst. Eine Haftung für diese Vorlage wird nicht übernommen.
Advanced Care Planning (ACP)-
Exkurs für eine hinkünftige Diskussion in Liechtenstein
"ACP lässt sich als eine dynamisierte Form der Patientenverfügung verstehen, bei der der Wille des (potenziellen) Patienten nicht nur punktuell festgeschrieben, sondern wiederholt und unter wechselnden Bedingungen erfragt wird.
Dieses im Vergleich zur Patientenverfügung aufwändigere Verfahren ist bisher in Deutschland nur vereinzelt erprobt worden. Die Willensbildung wird hierbei durch eine Fachkraft unterstützt, die den Betroffenen Informationen über die zu erwartenden Krankheitsverläufe und ihre Auswirkungen auf Patient und Umfeld vermittelt und als konstanter Dialogpartner für die Ausbildung, Ausdifferenzierung und Ausformulierung der Wünsche an die spätere Verlaufsbehandlung fungiert. Dieser Dialog wird partnerschaftlich und nicht direktiv geführt.
Das ACP hat nicht zum Ziel, den Patienten zu bestimmten Präferenzen für Behandlung und Nichtbehandlung zu überreden, sondern möchte Missverständnisse aufzuklären, unbegründete Ängste überwinden und Einseitigkeiten in der Wahrnehmung auf beiden Seiten korrigieren und ausgleichen.
An die Stelle einer einmaligen Festlegung tritt eine Kontinuität der Willensbildung, in die jeweils neu gemachte Erfahrungen und Einstellungsänderungen eingehen können. Die Behandlungswünsche können einer eventuellen Diagnose angepasst und konkretisiert werden.
Gerade im Bereich der demenziellen Erkrankungen erscheint das Verfahren des ACP herkömmlichen Patientenverfügungen in besonderer Weise überlegen zu sein. Denn hier führen die teilweise massiven Persönlichkeitsänderungen zu besonderen Problemen der Vorausverfügung. Es stellt sich die Frage, ob die verfügende Person sich ein angemessenes Bild davon machen kann, wie sich fortgeschrittene Demenz "von innen anfühlt".
Auch besteht das Problem, dass nicht klar ist, ob die von der Verfügung betroffene Person, die sich an ihre frühere Verfügung nicht mehr erinnert, noch dieselbe Person ist, die einst die Verfügung erstellt hat." (Auszug eines Texts von Dr. Utako Birgit Barnikol, Forschungsstelle Ethik, Universitätsklinikum Köln & Albertus Magnus Universität Köln, Prof. Dr. Susanne Beck, Kriminalwissenschaftliches Institut, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafrechtsvergleichung und Rechtsphilosophie, Universität Hannover, Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Birnbacher, Institut für Philosophie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Prof. Dr. Heiner Fangerau, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universitätsklinikum Köln.) Quelle
Vormundschaft/Sachwalterschaft
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